Mysterium Schlaf

Warum schlafen wir? Diese Frage hat die Menschheit schon immer beschäftigt. Die Hirnforschung hat dazu inzwischen plausible Theorien entwickelt – und dabei auch herausgefunden, wann und warum auswendig Gelerntes am besten haften bleibt.

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Wer schlecht oder gar nicht schläft, fühlt sich am nächsten Morgen oft wie gerädert: Man ist deutlich weniger leistungsfähig, kann sich kaum konzentrieren und ist viel leichter reizbar. Gängige Annahme war daher früher, der Schlaf sei notwendig, damit sich der gesamte Organismus regenerieren kann.

Gefährliche Phase ohne Bewusstsein

Doch das ist aus Sicht der Evolutionstheorie eigentlich unlogisch. Organe und Muskeln können sich theoretisch auch in einem wachen Ruhezustand regenerieren. Und ein Lebewesen, das schläft und dabei das Bewusstsein ausblendet, ist ein leichtes Opfer für Raubtiere. Trotzdem haben sich die Wirbeltiere so entwickelt, dass sie in einem regelmäßigen Rhythmus schlafen.

Der Schlaf muss also einen entscheidenden Vorteil mit sich bringen. Analysiert man mit Hilfe eines EEG die Prozesse genauer, die sich dabei im Gehirn abspielen, kommt man der Sache näher. Denn das Gehirn ist im Schlaf sehr aktiv – und zwar in allen Schlafphasen: dem Tiefschlaf, dem REM-Schlaf und den verschiedene Stadien eines leichten, oberflächlichen Schlafes.

Völlig andere Hirnaktivität

Typischerweise beginnt die Nachtruhe mit einem leichten, oberflächlichen Schlaf, während dessen die Hirnströme in immer langsameren Wellen auftreten. Sobald das Bewusstsein entschwindet, kommt es immer wieder zu deutlich messbaren Ausschlägen auf dem EEG, den so genannten Schlafspindeln und K-Komplexen. Und beim Übergang in den Tiefschlaf schließlich sinkt die Frequenz der Hirnströme nochmals erheblich. Das Gehirn folgt also einem völlig anderen Rhythmus als während des Wachzustands – und es lässt sich beobachten, dass die Nervenzellen sich synchronisieren. Sie „senden“ und „empfangen“ in einem gemeinsamen Takt. 

Eine spezielle Schlafphase stellt der so genannte REM-Schlaf dar. REM steht für Rapid Eye Movement, also schnelle Augenbewegung. Dieser Schlaf ähnelt von den Hirnströmen her zwar dem leichten Schlaf kurz nach dem Einschlafen. Allerdings kommt es zu schnellen, richtungslosen Bewegungen der Augen unter den Lidern. Blutdruck, Atem und Herzfrequenz erhöhen sich. Doch die Muskeln sind mit Ausnahme derer, die die Augäpfel steuern, maximal entspannt. Die einzelnen Phasen wechseln sich während der Nachtruhe mehrfach miteinander ab, wobei die jeweilige Phasendauer zum Morgen hin immer kürzer wird, bis wir schließlich aufwachen. 

Im Schlaf entsteht das Gedächtnis

Das EEG zeigt eindeutig: Das Gehirn ist im Schlaf sehr aktiv, wenn auch ganz anders als im Wachzustand. Während des Schlafs kommt es zu gezielten elektrischen Strömen im Gehirn. Und es bilden sich Proteine, so dass sich Nervenzellen mittels der so genannten Synapsen verbinden können. Vieles spricht dafür, dass sich im Schlaf das Gedächtnis bildet – und zwar ganz real in Form von neu verschalteten Nervenzellen.

Das kann man sich bildhaft vorstellen. Denn wie im Computer gibt es auch im Gehirn verschiedene Areale, die für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind. Der Hippocampus ganz im Inneren dient als Arbeitsspeicher für alles, was wir im Laufe des Tages erleben. Laufend bilden sich dort neue Nervenzellen und Nervenverbindungen. Er kann dadurch besonders leicht Informationen aufnehmen. Allerdings können die im Hippocampus gespeicherten Dinge auch schnell wieder überschrieben werden.

Im Gegensatz dazu steht der Neocortex, also die stark strukturierte Oberfläche des Großhirns. Dorthin werden die Informationen aus dem Hippocampus übertragen und zwischengelagert, bis sie schließlich in den präfrontalen Cortex wechseln, unserem Langzeitspeicher. Dieses Übertragen der Informationen von einem Bereich in den anderen erfolgt während des Schlafs – gesteuert durch die rhythmischen, langwelligen Gehirnströme.

Entrümpelung des Gedächtnis

Dabei kommt es auch zu einer Bewertung der Informationen: Denn längst nicht alles, was wir täglich erleben, ist für eine längerfristige Speicherung relevant. Im Zuge der Datenübertragung wird so auch der schnelle Arbeitsspeicher des Hippocampus entleert. Das Gehirn entrümpelt sich quasi selbst und ist wieder aufnahmefähig für den kommenden Tag.

Das erklärt, weshalb sich in psychologischen Tests gezeigt hat, dass auswendig Gelerntes dann am besten hängen bleibt, wenn man sich direkt im Anschluss schlafen legt. Und dass man andersherum ausgeschlafen mehr Informationen aufnehmen kann, als im übermüdeten Zustand, weiß jeder aus eigener Erfahrung.

Dass dabei jedoch das Übertragen der Informationen von einem Gehirnareal in ein anderes die entscheidende Rolle spielt, ist eine recht neue Erkenntnis der Hirnforschung. Und genau das funktioniert offenbar nur bei abgeschaltetem Bewusstsein. Aus diesem Grund müssen wir schlafen.

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