Wunderpflanze Aloe Vera

Aloe Vera wird gerne als Kaiserin der Heilpflanzen dargestellt. Es gibt Pflanzen-Extrakte zur inneren und äußeren Anwendung. Auch Duschgels und Joghurts kommen mit Aloe-Essenzen auf den Markt. Doch was kann die Pflanze wirklich?

Lesezeit: / veröffentlicht:

Aloe Vera erlebt seit einiger Zeit einen regelrechten Boom in der Kosmetik und bei Nahrungsergänzungsmitteln. Die Pflanze soll sowohl bei äußeren Anwendungen auf der Haut, als auch bei der inneren Anwendung wie ein Vitamincocktail wahre Wunder vollbringen.

Begleiter der Feldherren und Seefahrer

Zweifellos hat Aloe Vera eine große Tradition als Heilpflanze: Das wahrscheinlich ursprünglich von der Arabischen Halbinsel stammende Gewächs mit den festen, dickfleischigen Blättern fand schon im Altertum Verwendung. Kleopatra soll ihre Haut regelmäßig mit Extrakten der Pflanze gepflegt haben. Bei den Feldzügen Alexanders des Großen ließ man Verwundete mit der Pflanze behandeln. Und Christoph Columbus bezeichnete die Aloe Vera als „Arzt im Blumentopf“. Bei seiner Entdeckungsreise nach Amerika hatte er sie mit an Bord.

Ein Vorteil der Pflanze war dabei sicherlich, dass man mit einem einfachen Schnitt relativ einfach an das wirksame Gel herankommt. Das auch als Wüstenlilie bezeichnete Gewächs ist dabei so robust, dass es weiter wächst und somit in der Vergangenheit als lebende Apotheke diente.

Schneidet man eines der unteren dickfleischigen Blätter ab, läuft zunächst ein gelblicher Saft heraus. Vorsicht: In ihm steckt der stark reizende Wirkstoff Aloin, der auch als Abführmittel Verwendung findet. Ist der Saft abgelaufen, kann man das abgetrennte Blattstück nun aufschneiden – und direkt auf die Haut legen. Das in den Blättern steckende Gel hat einen kühlenden, schmerzlindernden und die Haut beruhigenden Effekt. Ideal bei Juckreiz und Sonnenbrand.

Traditionell geht die Naturheilkunde davon aus, dass das Gel der Aloe Vera sich nicht nur gut auf der Haut anfühlt, sondern auch die Wundheilung fördert. Verantwortlich für diese Effekte sind die Wirkstoffe Acemannan und Salicylsäure. Acemannan ist ein langkettiges Zuckermolekül, das die körpereigene Abwehr aktiviert. Salicylsäure wiederum ist Ausgangsstoff für Aspirin und hat eine stark schmerzlindernde Wirkung. Aus diesem Grund werden auch Brandopfer mit Aloe-Vera-Bädern behandelt. 

Widersprüchliche Studien

Inwiefern das Gel der Pflanze jedoch nicht nur eine lindernde, sondern eine tatsächlich die Heilung fördernde Wirkung hat, ist nach aktueller Forschungslage jedoch umstritten. So beobachteten Forscher zwar bei einer Studie an Akne-Patienten eine schnellere Wundheilung bei Gesichtspartien, die zusätzlich zu einem Akne-Präparat mit Aloe Vera behandelt wurden. Bei anderen Studien zeigte sich dieser Vorteil jedoch nicht.

 Die Forschungslage ist also nicht eindeutig – was auch daran liegt, dass es nur wenige Studien zur Wirksamkeit der Aloe Vera gibt, die strengen wissenschaftlichen Standards genügen. So nahm beispielsweise der in England an der Universität Exeter forschende Medizin-Professor Edzard Ernst im Rahmen einer Meta-Studie diverse Untersuchungen unter die Lupe – und stellte fest, dass es in vielen Fällen gar keine Kontrollgruppe gab, der ein wirkstoffloses Placebo verabreicht wurde. Dies gilt insbesondere für Untersuchungen, bei denen die Wirkungsweise von Aloe-Vera-Extrakten für die innerliche Anwendung im Mittelpunkt stand.

Vielfältiger Vitamincocktail?

Zwar enthalten die diversen Aloe-Vera-Säfte und -Extrakte, die als Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt kommen, wertvolle Inhaltsstoffe für den Organismus. Dazu zählen neben Vitaminen insbesondere Mineralstoffe, Spurenelemente, so genannte essenzielle Aminosäuren und sekundäre Pflanzenstoffe. Allerdings stecken diese Substanzen auch in anderen pflanzlichen Lebensmitteln. Und bei keiner dieser Stoffe bietet die Aloe Vera einen auffällig hohen Gehalt.

Bei der Werbung für die entsprechenden Produkte heißt es daher auch häufig, die Inhaltsstoffe der Aloe Vera seien perfekt aufeinander abgestimmt und würden somit in einer Art Synergieeffekt eine optimale Wirkung erzielen. Allerdings gibt es für solch einen Synergieeffekt keinen stichhaltigen wissenschaftlichen Beweis – und auch bei einer vielseitigen Ernährung mit reichlich Obst und Gemüse versorgt man seinen Körper mit einem hochwertigen Cocktail wertvoller Pflanzenstoffe.

Fest steht aber in jedem Fall: Negative Wirkungen der Aloe Vera als Nahrungsergänzungsmittel sind eher nicht zu befürchten – unter der Voraussetzung, dass die Extrakte so gewonnen werden, dass das stark abführende Aloin nicht enthalten ist. Und bei der Wundheilung gilt: Bei schweren und tiefen Verletzungen sollte man vorsichtig sein und von der Aloe Vera keine Wunder erwarten. Geht es um die Linderung leichterer Blessuren, wird die subjektiv empfundene wohltuende Wirkung des Pflanzenextrakts von vielen Menschen jedoch geschätzt. Es kann sich somit also durchaus lohnen, entsprechende Pflegeprodukte einfach einmal auszuprobieren.

  • Edzard Ernst: Heilung oder Humbug? 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga