Der Transplantationsskandal
Was war der Transplantationsskandal?
Im Jahr 2012 wurde durch Medienberichte der bis dato wohl größte Organtransplantationsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik bekannt. Mediziner sollen in Göttingen, Regensburg und München Krankenakten gefälscht haben, um ausgewählte Patienten bevorzugt mit Spenderorganen zu versorgen. Einem Transplantationsmediziner wurde vorgeworfen, die medizinischen Daten seiner Patienten derart manipuliert zu haben, dass sie einen höheren Platz auf der Warteliste erhielten und damit schneller ein Organ von Eurotransplant zugeteilt bekamen. Infolge der Berichterstattung sank die Zahl der Organspender deutlich. 2013 ging sie um knapp 16,3 Prozent zurück und erreichte den niedrigsten Stand seit 2002.
Welche Möglichkeiten zur Täuschung gibt es bei der Organvermittlung?
Ein Arzt kann einen Menschen durch gefälschte Labordaten „kränker“ machen, als er eigentlich ist. Damit rückt dieser auf der Warteliste für ein Organ weiter nach oben.
Wieso ist die Täuschung nicht aufgefallen?
Die Vermittlungsstelle Eurotransplant führt für jeden Patienten, der ihr gemeldet wird, eine Plausibilitätskontrolle seiner Laborwerte und anderer Befunde durch. Daneben werden die Daten mit den Originalbefunden abgeglichen, die von den Transplantationszentren übermittelt werden. Anhand dieser Papierlage konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Zu Leberkranken beispielsweise müssen die Transplantationszentren nur drei Werte übermitteln, anhand derer es schwierig ist, bestimmte Verläufe zu charakterisieren.
Welche Konsequenzen wurden aus dem Transplantationsskandal gezogen?
Um das Vertrauen in die Organspende wiederzugewinnen und Manipulationen zu erschweren, wurden zahlreiche Neuerungen eingeführt. Aktuell befindet sich ein Transplantationsregistergesetz im parlamentarischen Verfahren Das neue Gesetz sieht die Einrichtung eines zentralen Transplantationsregisters vor, in dem medizinische Daten aller Organspender, Organempfänger, Spenderorgane usw. in einer standardisierten Form zusammengeführt werden sollen. (Die Daten stammen von Transplantationszentren, der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Eurotransplant und Krankenhäusern.) Damit soll die Transparenz, Qualität und Patientensicherheit im Transplantationsgeschehen erhöht werden. Das Gesetz soll noch 2016 in Kraft treten. Bereits umgesetzte Neuerungen sind:
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Regelmäßige Überprüfungen
Die Prüfungs- und Überwachungskommission (gemeinsame Kommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband) wurde beauftragt, die Transplantationsprogramme in Deutschland mindestens einmal alle drei Jahre vor Ort zu überprüfen. An den Inspektionen sind die zuständigen Landesbehörden beteiligt. Die Tätigkeitsberichte Kommission werden jährlich veröffentlicht. -
Mehraugenprinzip
Des Weiteren ist ein Mehraugenprinzip in den Transplantationszentren eingeführt worden: Um Manipulationen im Vorfeld zu verhindern, entscheidet nun eine sogenannte interdisziplinäre Transplantationskonferenz in allen Transplantationszentren über die Aufnahme des Patienten in die Wartelisten und deren Führung. Die Konferenz besteht aus mindestens zwei beteiligten Disziplinen, also der chirurgischen und der konservativen, sowie einer dritten Fachrichtung, die sonst in keiner Verbindung zur Transplantationsmedizin steht und direkt dem ärztlichen Direktor der Klinik untersteht. Die beteiligten Ärzte müssen der internationalen Organvermittlungsstelle Eurotransplant benannt werden und sind für alle Meldungen und Entscheidungen verantwortlich. -
Einrichtung einer Meldestelle
Bei der Prüfungs- und Überwachungskommission wurde im November 2012 eine Stelle zur (anonymen) Meldung von Auffälligkeiten und Verstößen gegen das Transplantationsrecht in den Krankenhäusern eingerichtet. Die Vertrauensstelle wird von der Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof i. R. Frau Prof. Dr. jur. Ruth Rissing-van Saan betreut. Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bzw. Informationen im Zusammenhang mit Auffälligkeiten können per E-Mail oder Post an die Vertrauensstelle gerichtet werden:
Vertrauensstelle Transplantationsmedizin
Bundesärztekammer
Herbert-Lewin-Platz 1
10623 Berlin
vertrauensstelle_transplantationsmedizin(at)baek.de
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Verschärfte Sanktionen
Transplantationszentren werden bei Verstößen zukünftig zur Rechenschaft gezogen – je nach Schwere des Verstoßes sind neben Geldstrafen auch Freiheitsstrafen vorgesehen. -
Engere Regeln beim „beschleunigten Verfahren“
Die Zahl der beschleunigten Vermittlungsverfahren war seit 2007 von 26,6 Prozent auf 40,5 Prozent in den ersten Monaten des Jahres 2012 gestiegen. Inzwischen wurde das beschleunigte Vermittlungsverfahren angepasst.