Gentests aus der Apotheke: soll ich oder soll ich nicht?

Ein Beitrag von Prof. Dr. Gerd Glaeske, Co-Leiter der Abteilung Gesundheits-ökonomie, Gesundheitspolitik und Versorgungsforschung am SOCIUM – Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen.

Prof. Dr. Gerd Glaeske

Gentests bieten einem an, mehr über sich zu erfahren und im Voraus Informationen darüber zu bekommen, welche genetischen Risiken man für welche Krankheiten in sich trägt. Solche Tests werden noch immer im Internet angeboten, ihr Nutzen ist allerdings zweifelhaft. Mittlerweile werden aber auch Gentests in Apotheken angeboten, wobei das Ziel bei diesen Tests ein ganz anderes ist: Auf Basis der eingesandten Proben werden von den Anbietern Profile erstellt, die beispielsweise Auskunft darüber geben sollen, welche Arzneimittel aufgrund bestimmter genetischer Merkmale eventuell nicht geeignet sind. Solche Tests werden zum Beispiel für Mittel wie Clopidogrel („Blutverdünner“), Statine (Cholesterinsenker) und Tamoxifen (Brustkrebsmittel) angeboten. Weiterhin gibt es einen Kontrazeptiva-Test („Antibabypille“), der untersucht, ob eine Frau ein erhöhtes genetisch bedingtes Thromboserisiko aufweist und deshalb auf Pillen der älteren Generation ausweichen sollte. Darüber hinaus gibt es auch einige Schnelltests zur Selbstbestimmung in der Apotheke (etwa auf Antikörper gegen den Helicobacter-pylori-Keim, zur Bestimmung von Glutenunverträglichkeit oder Eisenmangel).

Trotz dieser vielfältigen Angebote mangelt es bislang noch an ausreichenden Daten, die belegen, dass Patienten von einem Einsatz solcher Tests in der Praxis auch wirklich profitieren. Bisher ist davon auszugehen, dass der Einfluss der messbaren genetischen Unterschiede auf patientenrelevante Therapieeffekte zumeist gering ist. Gerade bei Arzneimitteln darf man nämlich nicht unterschätzen, dass das Zusammenspiel von Genen, Umwelteinflüssen und der Arzneimitteltherapie komplex und heutzutage vielfach noch gar nicht im Einzelnen bekannt ist.

„Herkömmliche“ medizinische Maßnahmen erscheinen häufig effizienter: Beispielsweise sollten bei der Antibabypille von vornherein orale Kontrazeptiva mit älteren, bewährten Gestagenen eingesetzt werden, die ein geringeres Thromboembolierisiko aufweisen. In diesem Fall kann beispielsweise auf einen Biomarker, der das genetische Thromboserisiko anzeigen soll, verzichtet werden. Auch für die Statine ist es fraglich, ob ein Test zur Vermeidung von Komplikationen (zum Beispiel Muskelschmerzen) sinnvoll ist, da solche Nebenwirkungen selten sind und auch ohne Statine auftreten können. Ein Biomarker-Test kann nämlich auch dazu führen, dass sich Patienten in falscher Sicherheit wiegen („Laut Gentest kann mir nichts passieren“).

Ein Test sollte stets in Absprache mit einem Arzt gemacht werden. Er kann umfassend aufklären und die Ergebnisse richtig interpretieren. Die Selbstoptimierung oder der Wunsch nach mehr Gesundheit sollte da aufhören, wo mögliche Gefahren lauern.

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