Bleiben Sie seelenruhig

Es gibt Menschen, die an schweren Schicksalsschlägen nicht zerbrechen, sondern sogar gestärkt aus ihnen hervorgehen. Die gute Nachricht: Diese Fähigkeit kann jeder lernen.

Keine Chance für Stress, Depression und Burn-out

Das Leben ist nicht immer leicht: Eine schlimme Diagnose vom Arzt, der Verlust des Jobs oder die Trennung vom Partner sind Schicksalsschläge, die jeden urplötzlich treffen können. Das Interessante daran ist: Es gibt Menschen, die solche Krisen nicht umhauen – im Gegenteil. Manche gehen sogar gestärkt aus ihnen hervor. Hierbei handelt es sich um eine Fähigkeit, die in der Psychologie Resilienz genannt wird. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde. Er beschreibt die Eigenschaft hochelastischer Materialien, nach Belastungen wieder in ihren Ausgangszustand zurückzukehren. Bei Menschen steht Resilienz für seelische Widerstandsfähigkeit gegenüber traumatischen, krisenhaften Belastungen.

Erste Studien in den 1950er Jahren

Was hinter dem Phänomen Resilienz steckt, gilt in der Psychologie als eine der spannendsten Fragen überhaupt. Erste Antworten darauf lieferte die US-amerikanische Psychologin Emmy Werner. Sie hat alle im Jahr 1955 geborenen Kinder einer hawaiianischen Insel über 40 Jahre begleitet. Von den rund 700 Kindern wuchs ein Drittel unter besonders schwierigen Bedingungen auf: Sie waren zum Beispiel sehr arm, kamen aus Familien, in denen dauerhaft gestritten wurde oder deren Eltern psychisch krank waren. Überraschenderweise entwickelte sich fast ein Drittel der „Risiko-Kinder“ erstaunlich gut. Werner beobachtete bei ihnen bestimmte Schutzmechanismen. Dabei erwiesen sich soziale Bindungen – etwa zu einer Vertrauensperson außerhalb der Familie – als besonders wichtig. Zudem hatten die Kleinen oft Charaktereigenschaften wie zum Beispiel ein ruhiges Temperament oder ein spezielles Talent, die ihnen Anerkennung brachten, oder auch die ausgeprägte Fähigkeit, auf andere zuzugehen. Diese Schutzfaktoren wirkten auch noch im Erwachsenenalter. Da resiliente Kinder schon in jungen Jahren aufgrund bestimmter Eigenschaften auffallen, vermuten Forscher, dass auch die genetische Veranlagung eine gewisse Rolle spielt. Den Beweis hierfür erbrachte der Psychologe Avshalom Caspi von der amerikanischen Duke University. Demnach ist die Länge eines bestimmten Gens, das das Glückshormon Serotonin transportiert, entscheidend für die psychische Robustheit missbrauchter Kinder. Trägt jemand die längere Variante in sich, stehen ihm mehr Botenstoffe zur Verfügung, die helfen, mit stressigen Situationen besser umzugehen. 

Die Rolle des Gehirns

Das Gehirn als „Resilienz-Organ“ rückt aufgrund der rasanten Entwicklung der Medizintechnik immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung. Neurowissenschaftler, Mediziner und Psychologen am Deutschen Resilienz-Zentrum Mainz widmen sich seit 2014 der neurobiologischen Erforschung der Resilienz. Dies ist europaweit das erste Zentrum dieser Art. Ziel ist es, die Mechanismen der Resilienz zu entschlüsseln. Entscheidend dabei ist herauszufinden, welche Prozesse maßgeblich dafür sind, wie das Gehirn eine bestimmte Situation oder einen bestimmten Reiz bewertet.

„Wir wollen verstehen, welche Vorgänge im Gehirn Menschen dazu befähigen, sich gegen die schädlichen Auswirkungen von Stress zu schützen, und wie diese Resilienzfaktoren gezielt trainiert und langfristig verstärkt werden können“, sagt Professor Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz. Dazu haben die Forscher inzwischen mehrere Langzeitstudien gestartet. 200 junge Erwachsene werden beispielsweise in dem Mainzer Resilienz z. B. Projekt (MARP) über mehrere Jahre begleitet. Dabei werden Stressfaktoren und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit erfasst. Die Wissenschaftler wollen so Eigenschaften des Gehirns und geistige Fähigkeiten identifizieren, die wichtige Schutzmechanismen darstellen. Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, die Vorbeugung und Behandlung von Gehirnerkrankungen zu verbessern.

Resilienz kann jeder lernen

Auch wenn noch viele Fragen ungeklärt sind: Schon jetzt scheint sicher, dass Resilienz eine Fähigkeit ist, die jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens aufbauen und trainieren kann – unabhängig von seiner genetischen Veranlagung. Oder anders gesagt: Auch diejenigen, die nicht von Natur aus diese Eigenschaften aufweisen, können lernen, mit Schwierigkeiten im Leben besser umzugehen. Wichtig sind psychologische Faktoren wie positives Denken und die Fähigkeit, flexibel auf belastende Lebensereignisse zu reagieren. „Es macht einen großen Unterschied, ob ich mit meinem Schicksal hadere und mich als hilfloses Opfer sehe oder ob ich die Situation akzeptieren und mich auf ihre Lösung konzentrieren kann“, sagt die Bestsellerautorin („Resilienz – das Geheimnis innerer Stärke“) und Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. med. Mirriam Prieß. Das bedeutet: Resiliente Menschen fliehen nicht vor einem Unglück beziehungsweise kämpfen nicht dagegen, sondern nehmen es an. Indem sie sich der Realität stellen, können sie besser mit ihrer Situation umgehen, ist sich die Expertin sicher. Dementsprechend seien resiliente Menschen auch keine Superhelden, die alles an sich abprallen lassen. „Wirkliche Stärke bedeutet, in der Lage zu sein, seinem Leben in seinen Höhen und Tiefen auf Augenhöhe zu begegnen. Denn nur dann kann man einer Situation ein Gegenüber bieten und ihr adäquat begegnen.“

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