Laktoseintoleranz – Normalität statt Erkrankung

Zahlreiche Menschen können die in der Milch enthaltenen Zuckermoleküle mit zunehmendem Alter nicht mehr verdauen. Doch mit ein paar einfachen Regeln muss das nicht zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen.

Immer mehr Lebensmittel werden als laktosefrei beworben. Fast schon hat man den Eindruck, als würde eine neue Epidemie das Land überziehen. Und tatsächlich gibt es hierzulande eine nicht unwesentliche Anzahl von Menschen, die den Milchzucker, auch Laktose genannt, ab einem gewissen Alter nicht mehr vertragen.

Wenn ein Enzym fehlt

Laktose, also Milchzucker, setzt sich molekular betrachtet aus zwei Bausteinen zusammen: Glukose und Galaktose. Beide sind wichtige Energielieferanten für den Körper. Der Dünndarm kann diese Bausteine jedoch nur einzeln aufnehmen – und nicht in verbundener Form. Der Milchzucker muss also aufgespalten werden – und dafür ist ein Enzym zuständig, die sogenannte Laktase. Mit zunehmendem Alter reduziert sich jedoch die Laktaseproduktion im Dünndarm. Das kann dazu führen, dass der Milchzucker unverdaut bleibt – und in großer Menge in den Dickdarm gelangt. Dort jedoch wird er dann von der Darmflora vergoren – mit sehr unangenehmen Folgen: Blähungen, Krämpfe, Übelkeit sowie im Extremfall Durchfall und Erbrechen.

Wie stark der Rückgang der Laktaseproduktion mit zunehmendem Alter ist, hängt von den Genen ab. Und die genetische Ausstattung der Menschen ist in diesem Punkt sehr unterschiedlich – vor allem im weltweiten Vergleich: Mehr als 90 Prozent der Erwachsenen in China und in Südostasien gelten als laktoseintolerant. Bei Afrikanern liegen die Werte je nach Volksstamm bei bis zu 80 Prozent – und bei den Mittelmeeranrainern, also beispielsweise Spaniern, Italienern und Griechen, etwa zwischen 40 und 60 Prozent. Dänen wiederum entwickeln gerade einmal zu 5 Prozent als Erwachsene eine Laktoseintoleranz. In Deutschland sind es etwa 15 Prozent.

Es gibt in diesem Punkt also ein auffälliges Nord-Süd-Gefälle. Und inzwischen sind sich die Wissenschaftler sicher: Dass Menschen auch als Erwachsene Laktose verdauen können, ist aus Sicht der Evolutionsgeschichte die Ausnahme – und nicht die Regel. Eine Laktoseintoleranz ist somit alles andere als eine Krankheit. Und inwiefern man darin eine Nahrungsmittelunverträglichkeit sieht, ist letztlich eine Frage des Standpunkts. Für einen großen Teil der Völker und Rassen war und ist eine Laktoseintoleranz der Normalfall.

Milch: ursprünglich nur die Brust für den Säugling

Tatsächlich war es von der Evolution zunächst gar nicht vorgesehen, dass der Mensch sein ganzes Leben lang Milch zu sich nimmt. Denn wie bei allen Säugetieren galt bei unseren Vorfahren auch: Milch war nur als Muttermilch bekannt – und diente ausschließlich zur Ernährung des Säuglings. Sobald das Kind andere Nahrung zu sich nehmen kann, wird abgestillt. Nach dem Abstillen versiegt die Brust. Milch steht dann als Nahrungsmittel gar nicht mehr zur Verfügung. Folglich war die Verdauung der ersten Menschen darauf gepolt, Milch nur in den ersten Lebensjahren verarbeiten zu können. Für den Körper hätte es gar keinen Sinn gemacht, wenn der Darm über diese Phase hinaus das Enzym Laktase produziert hätte.

Geändert hat sich das erst, als einige Völker die Viehwirtschaft erfanden. Und gerade in den Ländern Nordeuropas wurde es in strengen Wintern zu einem enormen Überlebensvorteil, auch nach der Säuglingsphase eine Milch zu sich zu nehmen. Und Menschen, deren Verdauung auch noch im Erwachsenenalter den Milchzucker verarbeiten konnte, hatten eine zusätzliche Energiequelle – und somit weitaus bessere Chancen, ihren Nachwuchs durchzubringen, gerade auch in schwierigen Zeiten. Es kam infolgedessen zu einem Anpassungsprozess bzw. einer evolutionären Selektion.

Eine Frage der Anpassung

In Regionen, wo durch die klimatischen Verhältnisse das ganze Jahr über ein reichhaltigeres Nahrungsmittelangebot vorhanden war, fand solch eine Anpassung jedoch nie statt. In vielen Erdregionen bestand nie die Notwendigkeit, Milch nach der Säuglingsphase zu sich zu nehmen. Die Menschen dort kennen auch heute noch Milch eigentlich nur als Muttermilch – und beispielsweise in den traditionellen Küchen Chinas, Japans und Thailands spielen Milchprodukte überhaupt keine Rolle.

Die Fähigkeit, Milchzucker verdauen zu können, ist innerhalb der Weltbevölkerung seit einigen Jahrtausenden extrem unterschiedlich ausgeprägt. Das ist natürlich ein schwacher Trost für einen Mitteleuropäer, der bis vor kurzem noch genussvoll einen Milchkaffee, einen Schokoladenpudding oder eine Béchamelsauce zu sich genommen hat, dann jedoch mit den unangenehmen Symptomen einer Laktoseintoleranz konfrontiert wird. Viele befürchten daher bei einer entsprechenden Diagnose eine Einschränkung der Lebensqualität.

Keine verminderte Lebensqualität

Doch das muss nicht sein. Denn einerseits ist in vielen Fällen die Fähigkeit des Darms, das Enzym Laktase zu produzieren, „nur“ reduziert – und nicht vollständig erloschen. Wer den Milchkonsum etwas einschränkt und beispielsweise die Latte Macchiato gegen einen Cappuccino tauscht, bekommt die Beschwerden oft in den Griff. Andererseits ist der Laktosegehalt in verschiedenen Milchprodukten sehr unterschiedlich. Bei reifen Käsesorten wie Parmesan ist er verschwindend gering. Schließlich ist im Handel längst auch laktosefreie Milch erhältlich, so dass niemand auf den Milchkaffee verzichten muss.

Vorsicht sollte man lediglich bei Fertigprodukten walten lassen. Denn darin verstecken sich oft Milch und Milchprodukte. Auf den Zutatenlisten finden sich insbesondere Magermilchpulver und Molkenpulver. Diese jedoch haben einen außerordentlich hohen Laktosegehalt. Wer unter einer Milchzuckerunverträglichkeit leidet, sollte also beim Einkauf die Augen offen halten – und sich immer die Zutatenliste ansehen.

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